"Dortmund ist nicht Neukölln"

Im Headquarter von Gentrifizierung Gratis© | Atelier Janna Banning

Geöffnet: Di und Do 16-18:30 Uhr

Installation: Text und Sound

(WG-Annoncen gelesen von den Schauspielern Maria Wolf und Helge Salnikau.)

Dortmund ist nicht Neukölln.

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„So galt das Altbauviertel von Nordneukölln lange Zeit wegen des hohen Anteils „migrantischer“ und ärmerer Haushalte als das soziale Problemgebiet Berlins: die dort gelegene Rütli-Schule wurde 2006 zum landesweiten Beispiel für eine verfehlte Integrationspolitik an den Schulen und auch die Bausubstanz ist von vielen unsanierten Häusern geprägt. In Zusammenarbeit mit einem vom Berliner Senat eingesetzten Quartiersmangement versucht eine „Zwischennutzungsagentur“ dort seit einigen Jahren die vielen leerstehenden Gewerberäume kostengünstig an Künstler_innen, Kulturprojekte, Designer_innen und experimentelle Planungsbüros zu vermitteln. Mit der Vermietung von inzwischen über 80 Gewerberäumen hat sich zumindest das Straßenbild rund um den Reuterplatz deutlich verändert. Hippe Läden, Szenetreffpunkte und eine Reihe neueröffneter Kneipen stehen für den Imagewandel des Gebietes. Im Stadtmagazin Kitty - seit jeher ein Trendsetter, wenn es darum geht, „neue“ Stadtteile zu entdecken - titelte im März 2008 mit der Schlagzeile: „Neukölln rockt. Mit der Kitty unterwegs in Berlins derzeit spannendsten Bezirk.“

(aus: Wir Bleiben Alle! Gentrifizierung - Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung, von Andrej Holm, 2. Auflage, 2013)

Dabei kommen aus verschiedenen Lautsprechern im Raum vertonte WG Annoncen aus Neukölln vom Internet Portal WG-Gesucht.

PS:

Mittlerweile ist Neukölln ein Paradebeispiel für geglückte Gentrifizierungsprozesse durch Pioniere und ein WG Zimmer im hippen Szene-Kiez kostet durchschnittlich ab 450 € aufwärts.

Allerdings ist dabei spannend zu beobachen, wie schwierig es scheinbar ist, den Punkt auszumachen, wann Gentrifizierungungsindikatoren eindeutig sichtbar oder nachweisbar sind, bzw. wann die ersten Anzeichen auf das Konto von Gentrifizierung verbucht werden können, denn

2012 hieß es laut einer Studie, des Berliner Senats noch, in Neukölln gibt es keine Gentrifizierung. *

Der Berliner Gentrifizierungs-Experte Andrej Holm gibt dazu kritisch auf seinem Blog zu bedenken:

"Gerade das Argument, irgendetwas sei noch gar keine „echte Gentrification“ basiert auf einer sehr starren Vorstellung von städtischen Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen. Die deutschsprachige Gentrificationforschung mit ihren Modellannahmen sogenannter ‚doppelter Invasions-Sukzessions-Zyklen‘ haben ihren Beitrag zu dieser Sichtweise geleistet. Die vom Soziologen Jens Dangschat beschriebene Abfolge einer Pionierphase (Zuzug von Künstler/innen und Studierenden) und dem erst darauf folgenden Zuzug der Gentrifier wurden von dutzenden Nachfolgestudien zu statischen Auswertungsreihen von Sozialdaten banalisiert. Entlang vorgegebener Kriterien zum Bildungsstand, zum Einkommen und zum Familienstand wurde immer wieder versucht, die Anzahl von ‚Pionieren‘ und ‚echten Gentrifiern‘ zu messen. Überall dort, wo die gemessenen Daten nicht mit dem Modell in Übereinstimmung zu bringen waren, wurde der Gentrificationprozess geleugnet oder relativiert. Dabei liegt es auf der Hand, dass Stadtentwicklungsmodelle sich zwischen verschiedenen Städten und auch Stadtteilen unterscheiden und eben nicht überall identische Formen annehmen.

Um Auswertungsdynamiken und ihre Wirkungsweisen zu verstehen und sinnvolle Instrumente des Gegensteuerns zu finden, sollten verschiedene Auslöser und Motoren der Verdrängung voneinander unterschiedenen werden: ..." (aus dem Artikel: Verdrängung hat viele Gesichter, von Andrej Holm, https://gentrificationblog.wordpress.com/2010/10/18/gentrification-aufwertung-und-verdrangung-in-den-stadten/)