ART IS ONLY FOR THE RICH
(Foto: Adrian Pietsch)
So sehr dieses Statement Provokation ist und ich hoffe, nicht der Realität entspricht, ist es leider auch wahr, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Art is only for the rich - balanciert auf ungemütliche Weise am Abgrund und nervt.
Natürlich ist es wahr, dass Kunst für die Reichen ist. Denn immer wieder werten Kunst und Kultur heruntergekommene oder strukturschwache Viertel auf - dann spricht man von Gentrifizierung durch Pioniere.
Nachdem ein Aufwertungszyklus abgeschlossen ist, werden Wohlhabendere in den frisch sanierten Altbauwohnungen wohnen und die Ärmeren in andere Stadtteile verdrängt haben. Kunst ebnet also, auch wenn unbeabsichtigt, den Wegfür eine wohlhabendere Bevölkerungsschicht in ein Viertel. Am Ende werden also die Reichen von der Kunst profitieren, weil vielleicht engagierte Künstler ein sozialschwaches Viertel mitgestaltet haben, dieses bunter und lebenswerter geworden ist und an Attraktivität gewonnen hat, bis die Mieten nicht mehr für alle erschwinglich sind.
Ja klar. Auch diese Kunstinstallation ist Teil der Aufwertung! Auch wenn es ad absurdum wirkt, denn das Kunstprojekt "Wir arbeiten für Gentrifizierung ehrenamtlich" will das Gegenteil – nämlich diese Problematik in den Fokus rücken, informieren und einen Diskurs eröffnen. Die Fragen lautet eher: Muss das Muster, mit der Aufwertung eines Viertels durch Kreative und die oft damit einhergehende Verdrängung der ursprünglichen Bewohner, immer gleich sein? Oder kann man es individuell gestalten, indem man frühzeitig eingreift und den Prozess oder Zyklus unterbricht oder stört?
À propos, warst du schon im Wissenspool? Dort findest du viele Informationen zum Thema Gentrifizierung und was man als Betroffene*r tun kann.
Aber natürlich ist Kunst nicht nur für die Reichen!! Was ein Mist. Kunst kann eine universelle Sprache sein, gänzlich ohne Sprachbarrieren. Kunst appelliert an Gefühle und Emotionen, kommuniziert oft in und durch Bilder und kann so individuell erfahren werden. Was eine super Power!?! Kunst ist so fantastisch, kann so nahbar, individuell und intim sein.
Aber Kunst kann man nur genießen und erleben, wenn man Zeit hat. – Und Zeit muss man sich leisten können!
Ein alleinerziehendes Elternteil oder jemand mit vier Nebenjobs, kann sich vielleicht gar nicht die Zeit und den Raum oder die Muße dafür nehmen. Also ist wiederum etwas wahres an dem Satz: Kunst ist nur für die Reichen. – Denn Kunst zu erleben kann ein Luxus-Gut sein, weil man dafür Zeit braucht.
Wenn man z.B. von Harz IV lebt oder in prekären Verhältnissen, abgebrannter Student ist, oder gar eine ganze Familie versorgen muss und von finanzielle Unterstützung abhängig ist, ist das Budget was für Kultur zur Verfügung steht oft so gering, dass es fast unmöglich ist ins Museum zu gehen, geschweige denn ins Theater oder die Oper.
Ist dir schon mal aufgefallen, dass sich die Kunstwelt manchmal gerne wie ein elitärer Zirkus gebärt oder feiert? Eine Zirkuswelt in der sowohl die Akteure, als auch das Publikum eine homogene und eingeschworene Gruppe bilden, die eine eigene codierte Sprache sprechen? Wenn man aber dieses kulturelle Kapital, was nötig ist um dazu zu gehören, nicht gewonnen hat, kann diese Gruppe schnell befremdlich sein und die Türschwelle einer Galerie kann auf einmal riesig wirken. Leider hat das kulturelle Kapital viel mit Chancengleichheit und Bildung zu tun und dieses hängt leider in Deutschland immer noch stark vom Einkommen des Elternhauses ab.
Naja und Kunst kauft man sich in der Regel nur, wenn man ein ganzes Stück, gut und bequem, über der Grundsicherung lebt.
Und so könnte man dieses Streitgespräch noch ein ganzes Stück weiter führen. Wie gesagt, es ist ein Balanceakt, aber vor allem ist Kunst Kommunikation.